N.A.H.T.Z.U.G.A.B.E….was noch zu sagen war

Da war ja was.
Bitte lest, bevor Ihr hier einsteigt, doch nochmal flott über diesen Post *klick*
..denn da will ich heute anknüpfen 🙂

Fertig?
Wieder da?
Sehr schön.

Voilà das Fazit/ die Zusammenfassung, damit wir sicher sind, dass alle „bei mir“ sind:
Die Linien in einem Schnittmuster sind quasi Nähte. Die Stelle, an denen sich ein Designer (sei es für ein Kleidungsstück, ein Stofftier oder eine Tasche…oder was auch immer man alles so nähen kann) eine Naht gedacht hat – meist aus gutem Grund.
Ziel beim Nähen nach einem Schnittmuster ist ja, ein Resultat zu erhalten, dass so aussieht, wie sich der jeweilige Designer das gedacht hat.
Und dafür muss man auf besagten Linien nähen.
Ob man das tut, indem man sich die Linien auf Stoff überträgt und völlig unabhängig von einer Nahtzugabe auf der gezeichneten Linie entlang fährt, oder ob man sich die Nahtzugabe so zuschneidet, wie man sie zum Orientieren braucht, ist egal.
Wichtig bei der Nahtzugabe ist nur, dass man hinterher entsprechend der gewählten und zugeschnitten Nahtzugabe näht. Sprich: wenn ich eine NZ von 0,7cm zuschneide, sollte ich hinterher auch 0,7cm von der Schnittkante entfernt meine Naht setzen.
Sonst?
Sonst nähe ich eben nicht auf der im Schnittmuster vorgegebenen Linie.
Sonst verändere ich den Schnitt.

Soweit, so gut.
Mal angenommen, ich habe ein Schnittmuster, das mir zu weit erscheint…
Kann ich das dann nicht einfach „ohne Nahtzugabe nähen“?
NEIN!
Erstens: Ohne Nahtzugabe nähen kann niemand, weil man ja seitlich der Naht, egal wie, immer etwas Stoff hat. Geht ja nicht anders 😛

Warum sollte ich aber nicht ohne Nahtzugabe zuschneiden und dann z.B. 0,7cm vom Rand entfern nähen können? Das ist eine Vermutung, die so einige anstellen, und dann für sich mit JA, GEHT  beantworten.. und ich will versuchen zu erklären, warum das nicht geht. Zumindest nicht ohne den jeweiligen Schnitt recht unberechenbar zu verändern.

Den Gedanken hinter der Vorgehensweise verstehe ich durchaus.
Man denkt: pff…ob ich jetzt nen cm mehr zuschneide und nähe, oder nur 0,5cm mehr zuschneide oder garnix „mehr“ zuschneide und dann 1cm vom Rand entfernt nähe, müsste doch alles gehen. Wird der Schnitt halt insgesamt schmaler/kleiner und genau das will ich ja.
Dem zugrunde liegt die Vermutung, dass ich den Schnitt um 1cm vergrößere, wenn ich eine 1cm Nahtzugabe zuschneide und entsprechend verkleinere, wenn ich den Zentimeter weglasse – was falsch ist, da die NZ, wenn richtig verstanden, nichts am Schnitt verändert.
Ich denke mal, dass meine Ausführungen, dass man entsprechend seiner zugeschnitten Nahtzugabe nähen sollte, damit man auf der Schnittmusterlinie bleibt, dieses gedankliche Konstrukt eventuell schon zum Wanken gebracht haben könnten 🙂
Dem zugrunde liegt aber außerdem noch der Fehler, in parallelen Linien zu denken.

An dieser Stelle habe ich nämlich eine kleine gute Neuigkeit: Es geht DOCH! 😀
Und zwar bei quadratischen Sachen. Utensilos, zum Beispiel. Da könnt Ihr fröhlich die Seitenlängen anpassen, wie Ihr lustig seid. Schnitt größer, Schnitt kleiner. Müsste alles trotzdem gehen. Mit dem gewünschten Resultat: Ergebnis = kleiner oder eben größer.
Bei geraden, parallel verlaufenden Linien kann man das tatsächlich tun!

ABER:
Schauen wir uns mal ein Schnittmusterteil für ein Kleidungsstück oder ein Stofftier an.
Da haben wir nämlich nicht nur gerade verlaufende Linien, sondern Kurven.
Und was noch viel entscheidender ist: diese Linien verlaufen in besagten Kurven nicht parallel.

 

Wenn ich mich beim Nähen aber z.B. an meinem Nähfuß orientiere, oder an der Schnittplatte…der Schnittkante…was auch immer: nähe ich immer parallel zur Schnittkante.
An der Stelle, an denen die Schnittmusterlinien parallel verlaufen, kann ich die Linien folglich auch nach meinem gusto parallel verschieben – das Kleidungsstück breiter oder schmaler machen.
in den Kurven? Fehlanzeige.

Nehmen wir das Vorderteil des mommymade RaglanShirts:

Angenommen, ich möchte die Größe 110 nähen (rote Linie), will es aber schmaler haben und denke mir: Pah…näh ich „ohne Nahtzugabe“! Ich schneide also den Stoff entlang der roten Schnittmusterlinie aus und nähe dann zb. 1cm vom Rand entfernt (weil ich mich immer an meinem Nähfuß orientiere und die Naht dann eben 1cm vom Rand entfernt landet).

Ich habe versucht anhand einer gestrichelten roten Linie zu zeigen, was das bedeutet (zunächst an den geraden Linien, der Seitennaht des Shirts):

 

Kann man es erkennen?

In unserem Beispiel wird das Shirt dann nur noch so breit wie eine Größe 98 laut Schnittmuster.
Ich habe einen sehr schmalen Sohn. Eine solche Veränderung eines Schnittmusters kann manchmal durchaus nötig und sinnvoll sein. Keine Frage. Wenngleich ich schätze, dass bei den meisten Kindern das Verkleinern um eine Größe völlig ausreicht. Wenn ich das aber durch Weglassen der Nahtzugabe mache, wird das Kleidungsstück enger als nur eine Größe enger, wie obiges Bild zeigt.

Aber jetzt geht es an die Kurven am Ärmelansatz und Halsausschnitt.
ich habe also die Größe 110 ohne Nahtzugabe zugeschnitten (rote Linie) und nähe dann 1cm von der Schnittkante entfernt, parallel zur Schnittkante.
Voilà, das Resultat:

Seht Ihr das?
Euer Shirt wird nicht einfach nur überall „kleiner“. Der Schnitt wird ganz unberechenbar verändert!

Der Ausschnitt verändert sich: er wird weiter. Der Armansatz wird verändert: oben entspricht er mehr oder minder der Größe 98…aber Richtung Achsel wird es eine 92 und dann noch kleiner. Im Resultat wird das Shirt einen weiteren Ausschnitt haben, die Ärmel werden schon beim Einsetzen ein Problem erzeugen, weil sie vermutlich nicht mehr zum Vorderteil passen werden, und: Das Shirt wird in der Achsel definitiv kneifen oder sogar so eng sein, dass der zukünftige Träger mit seiner Schulter garnicht erst hineinpasst.

So war das ja nich gedacht, was?
Auch an den Ärmeln, wo die Linien zwar gerade aber eben nicht parallel verlaufen hat das „Nähen ohne Nahtzugabe“  einen ähnlich dramatischen Effekt.
Was also tun, wenn ein Shirt- oder sonstiger Schnitt – dem Spargeltarzan zu weit oder dem Moppelchen zu eng ist?
Nun: Den Schnitt bewusst und „legal“ verändern.
Wenn ich meine Größe 110 enger haben will, belasse ich Halsausschnitt und Armausschnitte wie sie sind. Einzig in der Weite nehme ich eine Veränderung vor: An den parallel verlaufenden Schnittmusterlinien für die Seitennaht. Und zwar nicht free-style indem ich ohne NZ zuschneide und irgendwo nähe, sondern indem ich nur in der Weite, an der Seitennaht eine Größe kleiner zuschneide. Mit der gleichen Nahzugabe, wie überall. An die ich mich beim Nähen halte, und so im Resultat entlang der Schnittmusterlinie für die kleinere Größe (in diesem Fall 104) nähe.

 

Die dazugehörigen Ärmel schneide ich ebenfalls an den Rundungen in meiner Wunschgröße (110) zu (mit meiner üblichen Nahtzugabe), und in der Weite, an den geraden Linien wähle ich die zu meiner Seitennaht passende Größe (in diesem Falle eine Größe kleiner als 110.). Ebenfalls mit meiner üblichen Nahtzugabe rundherum.
Dann passt auch noch alles aneinander, und sieht aus, wie es soll 🙂
….und jetzt hoffe ich einfach mal, dass dieser ganze Sermon verständlich war, keiner Verärgerung hervorruft und vielleicht sogar zu einem Verständnis/Erkenntnis beigetragen hat. 🙂

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